Wahlkampfgeschenk Schulbegleitung ist eine sinnlose Mogelpackung
Die rot-grünen Regierungsfraktionen kündigten einen Tag vor Weihnachten und zwei Monate vor der Bürgerschaftswahl an, alle Grundschulen zukünftig mit je einer zusätzlichen Stelle Schulbegleitung zu versorgen. Damit soll offensichtlich der wachsenden Kritik der betroffenen Eltern, Schulen und der Trägerorganisationen an den Mängeln im Bereich der Schulbegleitung begegnet werden.
Der Einsatz der zusätzlichen Schulbegleitungen ist völlig ungeklärt
Die Schulbegleitungen sollen durch Teilnehmende am Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) oder am Bundesfreiwilligendienst (BFD) abgedeckt werden. Zurzeit sind FSJler und BFDler an Schulen in der Unterstützung von Kindern mit einer körperlichen oder geistigen Behinderung tätig.
Diese Kinder gehen in aller Regel auf Sonderschulen oder auf die 37 Schwerpunktgrundschulen.
An den übrigen 170 Grundschulen sind kaum Kinder mit diesen Behinderungen, so dass völlig unklar ist, was die FSJler und BFDler dort tun sollen.
Die von SPD/Grünen genannten Ziele können so nicht erreicht werden
Nach Aussagen der bildungspolitischen Sprecherin der SPD (Frau Duden) sollen mit dieser Maßnahme „die strukturellen Voraussetzungen für einen unkomplizierten Schulalltag für alle Kinder geschaffen werden.“ Dass ausgerechnet eine pädagogisch nicht qualifizierte und meist sehr junge Kraft (FSJ: 16-19 Jahre) in der Grundschule die strukturellen Voraussetzungen für einen unkomplizierten Schulalltag für alle Kinder schaffen soll, ist völlig absurd.
Die Aussage des Grünen-Schulpolitikers (Herr Duge), dass mit dieser Maßnahme „den Grundschulen und vor allem den Schülerinnen und Schülern eine verlässliche Unterstützung zur Verfügung steht“, steht im Widerspruch zu der hohen Fluktuation von FSJlern und ihrer nicht gesicherten Vertretung im Krankheitsfall.
Die Hauptmängel im Bereich der Schulbegleitung werden nicht beseitigt
1. Der Assistenzbedarf für Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung wird zu fast 80% durch Teilnehmende am Freiwilligen Sozialen Jahr (FSJ) abgedeckt (1). Es gibt keine von der Schulbehörde vorgegebenen Standards für ihre Qualifizierung für diese Aufgabe.
Die Fluktuation von FSJler ist sehr hoch und ihr Einsatz dadurch nicht verlässlich. Interessenten für das FSJ haben nach Schulabschluss oft mehrere Optionen wie Berufsausbildung oder Studium. Sie brechen das FSJ häufig ab, wenn sie doch noch einen Ausbildungs- oder Studienplatz erhalten oder wenn sie sich wegen ihrer fehlenden Qualifizierung überfordert fühlen. Außerdem gibt es keine Vertretung, wenn FSJler längerfristig erkranken.
2. Zwei Drittel der Schulbegleitungen betreffen SchülerInnen mit einer komplexen psychosozialen Beeinträchtigung (2). In diesem Bereich müssen Schulbegleitungen über ausgeprägte pädagogische Kompetenzen und Erfahrungen verfügen, um die betroffenen Kinder sinnvoll unterstützen zu können. Trotzdem werden nur in weniger als 40% der Fälle ErzieherInnen oder SozialpädagogInnen eingesetzt. In über 60% der Fälle werden zur Kostenersparnis sogenannte sozial erfahrene Kräfte beauftragt, die in der Regel über keine pädagogische Ausbildung verfügen. (3)
Ein weiterer Kritikpunkt in diesem Bereich ist der zu geringe Umfang der von den ReBBZ (4) bewilligten Schulbegleitung. Meist wird die Schulbegleitung nur mit 10-12 Wochenstunden eingesetzt und auf drei oder sechs Monate begrenzt, während die Schulbegleitung für Kinder mit einer geistigen oder körperlichen Behinderung mit höherer Stundenzahl für ein ganzes Jahr tätig sind.
3. Die von der Schulbehörde vorgesehenen Kostensätze für Schulbegleitungen (5) sind zu niedrig. Das führt dazu, dass sich große erfahrene Trägerorganisationen mit qualifiziertem Personal und Tariflöhnen aus dem Aufgabenfeld Schulbegleitung zurückziehen.
Zusätzliche Mittel für Schulbegleitung sind notwendig und müssen sinnvoll eingesetzt werden
Um die bestehenden Mängel im Bereich der Schulbegleitung zu beheben, sind dringend zusätzliche Mittel erforderlich. Die von den Senatsfraktionen geplante Zuweisung einer FSJ/BFD-Stelle pro Grundschule ist dagegen sinnlos und löst keines der bestehenden Probleme in der Schulbegleitung.
Wir fordern von den Senatsfraktionen die Bewilligung weiterer Gelder für die Schulbegleitungen und von der Schulbehörde, dass mithilfe dieser Mittel die Verlässlichkeit und Qualität der Schulbegleitung erhöht wird.
Das erfordert
• die Entwicklung von Standards für die notwendigen Qualifikationen von Schulbegleiter/inne/n unter Einbeziehung von betroffenen Elternverbänden, Schulleitungen von Schwerpunktschulen und Trägern sowie die Überprüfung der Umsetzung dieser Standards,
• den Einsatz von pädagogisch qualifiziertem Personal in der Schulbegleitung von Kindern mit komplexen psychosozialen Beeinträchtigungen und die Erweiterung des Stundenumfangs und des Einsatzzeitraumes,
• Verträge der Schulbehörde mit Trägerorganisationen, um die Ausfälle durch Fluktuation und Krankheit in der Schulbegleitung durch Vertretungspersonal oder Poollösungen aufzufangen,
• die Erhöhung der Kostensätze für Schulbegleitungen, um den Trägerorganisationen einen kostendeckenden Einsatz von qualifiziertem Personal zu Tariflöhnen zu ermöglichen.
Anmerkungen:
(1) Bürgerschaftsdrucksache 21/16115, S.4
(2) Bürgerschaftsdrucksache 21/17083, S.2
(3) ebenda
(4) ReBBZ – Regionales Bildungs- und Beratungszentrum
(5) Bürgerschaftsdrucksache 21/12544, S.28